„Endlich Sommer!“
werden viele Sonnenhungrige nach diesem kühlen Frühling sagen, der nach den letzten heißen Jahren ungewohnt war. Der Natur hat das Wetter jedoch sicher gut getan! Jetzt aber kommt der Sommer – die Zeit, in der Frucht wächst, Ernte gedeiht. Mir fiel der Monatsspruch für Juni auf: "Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle." (1. Mose 27,28)
Das Bibelwort klingt wie ein irischer Segenswunsch. Die Geschichte, aus der der Satz stammt, lässt uns diese jedoch als ziemlich „weichgespült“ empfinden, doch sie ist harte Realität. Der Monatsspruch ist aus der spannenden Geschichte, über den vom zweitgeborenen Zwilling Jakob ergaunerten Erstgeburtssegen von Vater Isaak, damals ein kostbares Gut.
Bei uns ist das Erstgeburtsrecht nicht mehr so aktuell, aber es gibt es immer noch. Also – die Geschichte ist eher ein Krimi, eine spannende Betrugsgeschichte als ein Heileweltwort! Jakob, der Betrüger, flieht nach dem Betrug in Todesangst vor seinem Bruder, wird später selber mehrfach betrogen, aber am Ende siegen Gottes Liebe und Jakobs Segen geht in Erfüllung, auch, wenn er ergaunert war. Für Jakob wird immer ein Stachel bleiben und Isaak prophezeit Esau, dass Jakob zwar über ihn herrschen wird, aber dass er das Joch seines Bruders einmal abschütteln kann. Also – nichts mit Heile Welt, es klingt eher nach Streit und Kampf! Segen und Fluch sind nichts ins Leere Gesagtes. Sie haben eine große Kraft und jeder von uns hat dadurch auch ein Stück Macht über andere – Macht, die Verantwortung fordert!
Rechnen wir mit diesem Potential?
Segnen ist eine heilende, rettende Kraft. Dem Gesegneten bleiben Kummer, Leid und die Folgen seiner Verfehlungen nicht erspart. Aber es kann Gutes daraus wachsen. Alte Schuldmuster können durchbrochen, Beziehungen geheilt und Frieden geschaffen werden. Es kann etwas ganz Neues wachsen. Dem Bösen wird der Nährboden entzogen, wenn wir nicht mehr mit Menschen oder Situationen hadern, gar hassen. Manchmal dauert es lange, ehe die Segensfrucht wächst.
20 Jahre lang musste Jakob bei seinem Onkel Laban, zu dem er floh, viel ertragen. Er wurde immer wieder betrogen. Es kommt aber am Ende zur Versöhnung mit Laban und dann auch mit Esau.
Beten und segnen brauchen Geduld. Isaak war längst gestorben, als Jakob heimkehrt. Aber – sein Segen lag auf ihm, trotz allem. Bitten wir Gott um Segen für uns selber, das tut uns auch gut. Für die Menschen, die wir lieben und für die, die uns Schwierigkeiten machen. Gott liebt sie alle gleich. Es ist die Aufgabe von uns Christen, zu segnen, gute Gedanken zu pflegen. Wenn das alle Christen mehr praktizierten, könnte die Welt anders aussehen. Segnen ist sozusagen die Bodenbearbeitung, worauf Liebe gedeihen kann.
Auch das Land, in dem wir leben, die Stadt, die Ernte... können wir segnen, dass Gott uns trotz unserer Fehler gutes Wetter zum Wachsen schickt, zum Wachsen der Ernte und zum Wachsen der Liebe in unseren Herzen.
Ingrid Misselwitz